Interview geführt mit Anne Wanitschek, Heilpraktikerin bei Heilpraktiker Wanitschek & Vigl Berlin. Frau Wanitschek beschäftigt sich in Ihrer Praxis ausgiebig mit Frauen in den Wechseljahren. Im folgenden Interview unterhalten wir uns mit ihr über die verschiedenen Wechseljahrsbeschwerden und wie man diese in der Naturheilkunde behandelt.
Guten Tag, Frau Wanitschek! Können Sie uns erstmal allgemein etwas über Ihren beruflichen Werdegang erzählen? Was hat sie dazu bewegt, Heilpraktikerin zu werden?
Seit ich Kind bin, faszinieren mich Heilpflanzen. Später wollte ich diese Faszination zum Beruf machen – was mir mit dem Beruf der Heilpraktikerin geglückt ist. Vor meiner Praxistätigkeit habe ich zunächst noch in einer Kräuterapotheke gearbeitet. Das war sehr interessant.
Die Wahl des Heilpraktikerberufs passte auch zu meinem Verständnis von Krankheit und Genesung. Heilung habe ich stets als ganzheitlichen Prozess verstanden und nicht nur als das Lindern von Beschwerden.
Sie besitzen eine Praxis gemeinsam mit Herrn Vigl? Wie kam es zu dieser Konstellation und was waren die ersten Maßnahmen, die Sie ergriffen haben, um auf sich aufmerksam zu machen?
Mein Mann, Sebastian Vigl, und ich haben beide denselben Beruf und haben die gleichen Therapiemethoden bei unserem Lehrer, dem mittlerweile leider verstorbenen Heilpraktiker Klaus Krämer, gelernt. Seine Art, mit Pflanzen zu heilen hat uns sehr geprägt, sodass wir diese heute in der Praxis weiterführen.
Zu den ersten und in der Anfangszeit vielleicht wichtigsten Maßnahmen zählen sicherlich die Heilpflanzenführungen, die zunächst mein Mann und später auch ich in Berlin angeboten haben. Heilpflanzenführungen ermöglichen es, Menschen unmittelbar für Heilpflanzen zu begeistern. Man steht direkt unter einem Holunder, wenn man über seine Heilwirkungen spricht. Das ist sehr lebendig und bleibt meist lange im Gedächtnis. Das ist ganz was anderes, als das Wissen über Heilpflanzen aus einem Buch zu lernen.
Können Sie die Naturheilkunde in einem Satz beschreiben?
Naturheilkunde ist das Begreifen des Menschen als Teil seiner natürlichen Umwelt. Unser Organismus steht mit dem restlichen Leben auf diesem Planeten in engem Zusammenhang. Wenn unser Organismus erkrankt, wendet die Naturheilkunde Mittel und Verfahren an, die ihn mit der Natur wieder verbinden. Und diese Verbindung kann heilsam sein.
Was hat Sie dazu bewegt, sich auf den Schwerpunkt "Wechseljahre'' zu spezialisieren? Haben Sie noch andere Schwerpunkte in der Praxis?
Was das Thema Wechseljahre betrifft: Hier war ich schon zu Beginn meiner Tätigkeit davon überzeugt, dass Pflanzenheilkunde viel zu bieten hat und eine tolle Option ist. Daher biete ich seit Beginn meiner Tätigkeit eine Sprechstunde für Wechseljahrsbeschwerden an. Weitere Schwerpunkte sind unter anderem Reizdarm, Fehlbesiedlung des Dünndarms (SIBO), Erschöpfung und stressbedingte Beschwerden.
Kurz allgemein erklärt - Was genau passiert im Körper einer Frau, sobald sie in die Wechseljahre kommt?
Mit den Wechseljahren endet die Zeit der Fruchtbarkeit. Viele körperlichen Mechanismen, die für die Fruchtbarkeit der Frau sorgen, werden jetzt nicht mehr wie bisher benötigt. Gesteuert werden diese schrittweise Veränderungen durch die Hormone, genauer gesagt: durch die stufenweise Abnahme der sogenannten Sexualhormone wie den Östrogenen. Diese Umstellungsphase kann mit Beschwerden einhergehen.
Was sind die häufigsten Beschwerden, mit denen Frauen in den Wechseljahren zu Ihnen kommen?
Mit Sicherheit zählen Hitzewallungen und Schweißausbrüche zu den häufigsten Beschwerden. In meiner Praxis äußern Frauen auch oft seelische Beschwerden wie Schlafstörungen, schnelle Erschöpfbarkeit, Stimmungsschwankungen, Befindlichkeitsstörungen oder Ängste. Nicht selten sind dies Beschwerden, die Frauen für sich behalten. Unter anderem aus Angst, nicht ernst genommen zu werden.
Schon allein in der Praxis über persönliche Nöte und Sorgen, die die Wechseljahre begleiten, sprechen zu dürfen, kann heilsam sein.
Wie sieht eine klassische Therapie bei Wechseljahrsbeschwerden aus?
Bei Wechseljahresbeschwerden steht für mich die Pflanzenheilkunde an erster Stelle. Welche Pflanzen ich verordne, hängt nicht nur von den Beschwerden, sondern auch von der Konstitution der Frau ab. Jede Frau bekommt somit eine individuelle Rezeptur. Neben der Pflanzenheilkunde ist eine gute Versorgung mit Nährstoffen und Mikronährstoffen wichtig. Besonders auf die Versorgung mit Vitamin D ist zu achten.
Daneben finde ich die Darmgesundheit ein wichtiges und oft unterschätztes Thema in den Wechseljahren. Die hormonelle Veränderung führt auch zu Veränderungen in der Darmflora, die sich negativ auf Körper und Seele auswirken kann. Hier kann mit Heilpflanzen, Ernährungsweise oder Probiotika interveniert werden.
Heilpflanzen sind für ihre unzähligen, heilenden Wirkungen bekannt. Können Sie uns bestimmte Heilpflanzen besonders für Beschwerden in der Menopause ans Herz legen und warum?
Eine tolle Pflanze für die Wechseljahre ist der Salbei (Salvia officinalis). Er hat eine schwach östrogene Wirkung, hemmt übermäßiges Schwitzen, unterstützt den Nachtschlaf und fördert Gedächtnis und Konzentration.
Pflanzen mit Phytoöstrogenen sind generell eine gute Wahl. Dazu zählen Stoffe, die an Östrogenrezeptoren binden und damit Wechseljahresbeschwerden lindern können. Ich verwende gerne den Rotklee (Trifolium pratense) mit seinen östrogen wirkenden Isoflavonen. Sein Einsatz sollte aber nicht bei hormonsensitiven Brustkrebs erfolgen. In Studien hemmten Rotklee-Isoflavone die Verringerung von Knochendichte (Osteoporose). Im Gehirn wirkten sie in Studien der durch den Östrogenmangel bedingten Abnahme von Serotonin entgegen. Dies könnte sich positiv bei depressiver Verstimmung, Schlafstörungen, Schweißausbrüchen oder Hitzewallungen auswirken. Daneben zeigten klinische Studien die Wirkung von Rotklee bei Abnahme der Libido, bei Gewichtszunahme und erhöhten Blutfettwerten in den Wechseljahren.
Der Lavendel (Lavandula angustifolia) fördert Schlaf und wirkt Reizbarkeit, Unruhe und Ängsten entgegen. Es hemmt auch die Wirkung des Sympathikus, den aktivierenden Anteil des vegetativen Nervensystems, auf die Schweißdrüsen. So kann Lavendel auch bei Schweißausbrüchen hilfreich sein.
Wie stehen Sie allgemein zu Nahrungsergänzungsmittel und anderen „Helfern“ (Ätherische Öle, Blütenwasser, Massagezubehör)? Können diese ebenfalls ergänzend in einer Menopause-Therapie verwendet werden?
Bei jeder Frau liegt der Fokus anders. Ätherische Öle sind in dieser Phase des Lebens generell eine gute Idee. Sie können harmonisieren, beruhigen oder auch anregen.
Das Granatapfelkernöl finde ich eine gute Wahl, das kann sich in den Wechseljahren positiv auf Alterung und Feuchtigkeit von Haut und Schleimhäuten auswirken. Dafür sorgt unter anderem das Phytohormon Östron. Zum täglichen Einreiben nach dem Duschen oder Baden einen Teil Granatapfelkernöl mit einem Teil Mandel- oder Jojobaöl mischen.
Bei Scheidentrockenheit finde ich Sanddornöl eine gute Option.
Was wären Ihre Top-3-Tipps, um Frauen in den Wechseljahren den Alltag zu erleichtern?
Das lässt sich natürlich schlecht verallgemeinern, nicht jeder Frau würde ich die gleichen Dinge raten. Aber grundsätzlich finde ich Folgendes wichtig und sinnvoll:
Sinnstiftende Ziele im Leben finden,
eine genussvolle und gesunde Ernährungs- und Lebensweise und
das Erlernen von Achtsamkeitstechniken.
Achtsamkeitstechniken können nicht nur helfen, aktuelle Beschwerden gelassener und besser zu ertragen. Sie sind eine tolle Möglichkeit, mit denen wir uns nicht nur gegen die Schwierigkeiten des Lebens wappnen können. Sie erlauben uns, uns selbst und andere besser kennenzulernen. Das ermöglicht eine verständnisvolle und liebesvolle Haltung – uns selbst gegenüber und auch anderen. Für das Erlernen von Achtsamkeitstechniken sind zum Beispiel MBSR-Kurse sinnvoll, die ich auch in meiner Praxis anbiete.