Interview geführt mit Michaela Jung, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Burnout- & Resilienzberatung. Frau Jung betreut Klienten, welche mit Stresssituationen im Alltag zu kämpfen haben oder bereits ein Burnout erleiden. Im folgenden Interview möchten wir uns genauer über die Themen Burnout und Resilienz unterhalten und lernen, wie man achtsamer mit seinem eigenen Körper und seiner Gesundheit umgehen kann.
Guten Tag, Frau Jung! Was hat Sie dazu bewegt, sich mit der Burnout- und Resilienzberatung zu beschäftigen?
Vor knapp 10 Jahren musste ich die Erfahrung eines Burnouts selbst machen. Das war eine sehr intensive Zeit in meinem Leben, die vieles verändert hat. In der akuten Phase hätte ich mir jemanden gewünscht, der wirklich versteht, was da bei mir los war. Leider hatte ich nicht das Glück, so jemanden zu finden. Mir wurde damals nur gesagt, ich hätte zu lange nicht gut für mich gesorgt. Das stimmte zwar, aber allein mit der Information konnte ich wenig anfangen und es half mir auch nicht dabei, mich besser für die Zukunft aufzustellen. Auch wusste ich nicht, wie ich meine Resilienz trainieren konnte, um mit belastenden Situationen besser zurecht zu kommen. Und noch viel weniger wusste ich, was genau mich in diese eigentliche Situation gebracht hatte, die mich dazu zwang, eine knapp achtmonatige Auszeit zu nehmen. Und so wuchs in den letzten Jahren mehr und mehr der Wunsch, mich zukünftig in meiner eigenen therapeutischen Arbeit auf genau dieses Thema zu fokussieren, um Betroffene unterstützen zu können.
Welche genauen Probleme treten häufig bei Ihren Klienten auf? Kann man ein gewisses Muster dabei erkennen?
Das ist tatsächlich sehr unterschiedlich. Es lassen sich jedoch Muster erkennen, die besonders häufig bei Burnout-Betroffenen festzustellen sind. So zum Beispiel, dass die eigenen Bedürfnisse zunehmend vernachlässigt oder ignoriert werden, während die Klienten sich mehr und mehr um andere kümmern und sich für sie aufopfern. Sehr verbreitet ist die Eigenschaft, nicht „Nein“ sagen zu können. Es lässt sich auch erkennen, dass sich viele Klienten aufgrund von unbewussten Überzeugungen nur wertvoll fühlen, wenn sie möglichst viel erledigen und arbeiten. Es ist einfach nie genug und sie überschreiten oft die eigenen Grenzen. Diese Überzeugungen und Muster in Kombination mit einem sehr erhöhten Selbstanspruch fallen gegebenenfalls über mehrere Jahre nicht auf, kosten die Klienten jedoch viel wertvolle Energie. Oft endet diese Spirale nach einiger Zeit in Erschöpfungszuständen, Überforderung und Depressionen. Auch zeigen sich häufig gleichzeitig psychosomatische Symptome in sehr unterschiedlichen Ausprägungen.
Was genau bedeutet der Begriff Burnout?
Es gibt mittlerweile viele Definitionen für Burnout. Eine davon ist von Herbert Freudenberger: „Nachlassen bzw. Schwinden von Kräften oder Erschöpfung durch übermäßige Beanspruchung der eigenen Energie, Kräfte oder Ressourcen.“ Somit verstehen wir unter Burnout sowohl körperliche und emotionale Erschöpfung. Es wird auch als „Ausgebranntsein“ bezeichnet. Burnout wird häufig als die direkte Folge von chronischem Stress und damit verbundenen Verhaltensweisen beschrieben und bewertet. Doch können wir Burnout nicht nur mit langanhaltendem Stress im Job, sondern auch allen anderen Lebensbereichen bzw. der Kombination verschiedener Lebensbereiche in Verbindung bringen. So können uns z. B. auch Konflikte im Job und/oder der Familie, die Pflege von Angehörigen, Beziehungsprobleme und chronische Erkrankungen oder eine schwerwiegende Diagnose unsere psychische Widerstandskraft stark beeinflussen.
An welchen Symptomen kann man einen Burnout erkennen?
Die Ausprägung der Symptome ist tatsächlich sehr unterschiedlich und kann von Klient zu Klient sehr individuell sein. Sie können sich psychisch und physisch zeigen. Psychisch zeigen sich z. B. Symptome wie Gefühle der Überforderung, Aggressivität, depressive Verstimmungen, Gefühle der Leere, Angst und Panik, Niedergeschlagenheit, sozialer Rückzug, Stimmungsschwankungen und innere Unruhe (um nur einige zu nennen).
Häufig ist es so, dass der Körper sehr zuverlässig schon früh Alarmzeichen sendet. Leider werden diese wertvollen Hinweise meist ignoriert oder einfach nicht ernst genommen. Auf der körperlichen Ebene zeigen sich oft Symptome wie z. B. Magen-Darm-Probleme, Schlafstörungen, Tinnitus, Kopfschmerzen, Gewichtsveränderungen, Muskelverspannungen, Rückenschmerzen oder Herz-Kreislauf-Störungen. Auch hier lässt sich die Auflistung noch um einiges erweitern.
Wie sieht eine Burnout-Therapie bei Ihnen konkret aus und in welchen Belangen können Sie Ihren Klienten weiterhelfen?
Es macht einen großen Unterschied, ob meine Klienten präventiv agieren und zur reinen Beratung kommen oder sich in einer akuten Krankheitsphase befinden und wir therapeutisch arbeiten.
In der präventiven Beratung geht es darum, das eigene Burnout-Risiko zu (er)kennen und unter Berücksichtigung der einzelnen Resilienzfaktoren herauszufinden, wo genau noch ungenutzte Ressourcen vorhanden sind, die zukünftig zu einer höheren Widerstandsfähigkeit beitragen können.
Haben die Klienten bereits die Diagnose Burnout erhalten, geht es in der Regel im ersten Schritt darum, das Wohlbefinden zu steigern und für eine gewisse Stabilität in psychischer und physischer Hinsicht zu sorgen. Erst im Anschluss befassen wir uns mit der Frage, was genau zu der jetzigen Situation geführt hat. Welche unbewussten Überzeugungen und Glaubenssätze sowie welche wiederkehrenden Muster lassen die Klienten zum Beispiel immer wieder in dem eigenen Anspruch der Perfektion landen? Welche Erfahrungen haben dazu geführt, dass meine Klienten sich vorrangig um das Wohl anderer kümmern und sich selbst aus den Augen verlieren? Es gibt verschiedene Tests und Techniken, um herauszufinden, was genau zum Burnout geführt hat. Außerdem geben die Ergebnisse und Rückschlüsse den Klienten die Möglichkeit, ihre erlebte Wirklichkeit zu reflektieren, analysieren und verändern zu können. Erst dann ist die Arbeit mit den verschiedenen Resilienzfaktoren zielführend und sinnvoll. Ich möchte mit meiner Arbeit die Selbstwirksamkeit meiner Klienten fördern, damit sie sich zukünftig selbst helfen können.
Was steckt hinter dem Wort Resilienz und ab wann kann man einen Menschen als „resilient“ betrachten?
Resilienz heißt so viel wie psychische Widerstandskraft und zeigt, wie wir in herausfordernden Zeiten z. B. mit Krisen oder Schicksalsschlägen umgehen. Je resilienter wir sind, umso eher gelingt es uns in solchen Zeiten Lösungen zu finden, Dinge und Gegebenheiten anzunehmen, wie sie sich gerade zeigen und uns trotz allem optimistisch auf die Zukunft auszurichten. Je resilienter wir sind, umso besser kommen wir mit diesen sogenannten „life events“ zurecht. Was nicht heißt, dass sie uns nicht belasten oder auch mal aus der Bahn werfen können. Wir können mit Resilienz jedoch lernen nach Krisen schneller wieder aufzustehen, uns wieder aufzurichten und daraus stark und kraftvoll herauszukommen. Resilienz lässt sich auch erklären mit dem psychischen Immunsystem. Je trainierter unser psychisches Immunsystem ist, umso besser können wir uns vor äußeren Einflüssen schützen. Resilienz ist so gesehen kein Ziel, sondern ein Weg … eine Entwicklung. Wir werden nie vollständig resilient sein. Allerdings sollte unser Interesse groß sein, diese wunderbare Eigenschaft immer mehr zu trainieren. In der aktuellen Zeit, in der eine Krise die nächste jagt, ist dies eine sehr wertvolle Ressource, die uns viel Kraft geben kann und uns gelassener sein lässt. Wenn wir wissen, dass wir uns selbst vertrauen können, Krisen bewältigen können und aus ihnen gestärkt hervorgehen, kann davon auch unser Selbstbewusstsein enorm profitieren. Auch können wir dann noch besser annehmen und akzeptieren, dass Krisen und Herausforderungen einfach zum Leben dazu gehören.
Wie kann man im Alltag seinem Körper mehr Achtsamkeit schenken?
Wir haben viele Möglichkeiten, unserem Körper Gutes zu tun. Der wichtigste Aspekt ist, erstmal wahrzunehmen, was unser Körper eigentlich gerade braucht. Dazu gehören ausreichend Schlaf, Bewegung, gutes Essen und Ruhephasen. Wir neigen leider oft dazu zu essen, obwohl unser Körper nicht danach verlangt. Da sollten wir viel achtsamer sein. Sowohl bei der Menge, dem Zeitpunkt als auch der Auswahl der Lebensmittel.
Mindestens genau wichtig ist es, achtsam mit seinem Geist zu sein. Ich bin ein großer Fan von Meditationen und sehe bei meinen Kursteilnehmern häufig, wie schnell die regelmäßige Praxis von Achtsamkeit und Meditation Resultate im Alltag mit sich bringen. Bei dem heutigen Angebot an Ablenkung, Beschallung und Unterhaltung über die unterschiedlichsten Medien ist es wichtiger als je zuvor, seinem Geist regelmäßig die nötige Ruhe zu gönnen. Ob mit Meditationen, einem achtsamen Spaziergang in der Natur oder einem Saunabesuch. Erst in diesen Momenten können wir uns die Frage stellen, wie es uns gerade wirklich geht. Und bestenfalls erhalten wir dann auch eine ehrliche Antwort … abseits des Trubels, dem Herumwirbeln und dem Herumrennen.
Wir sind leider immer mehr am TUN, als am SEIN.
Haben Sie kleine Hilfestellungen für uns, um mit intensiven Stresssituationen im Alltag besser zu Recht zu kommen?
Wie bereits erwähnt kann regelmäßiges Meditieren uns helfen, besser und gelassener mit stressigen Situationen umzugehen. Es gelingt uns damit, uns nicht so schnell aus der „Reserve locken zu lassen“. Wichtig ist es auch zu überprüfen, ob man sich selbst im Stressmoment unter Druck setzt oder ob dieser von außen kommt. Häufig stressen wir uns selbst, ohne dass es einen Auslöser im Außen gibt. Dessen sollten wir uns bewusst werden. Eigentlich geht es immer um Bewusstsein. Und um das Atmen. In stressigen Situationen vergessen wir das Atmen. Da kann schon eine kurze Sequenz mit Konzentration auf den Atem helfen, wieder bei sich anzukommen. So kann man z. B. tief ein- und ausatmen (wenn es die Situation zulässt, auch kurz die Augen schließen) und jedes Mal beim Ausatmen zählen, bis wir zehn Atemzüge im eigenen Tempo erreicht haben. Das bringt uns wieder ins Hier und Jetzt und wir können uns wieder besser konzentrieren und fokussieren.
Und abschließend möchte ich noch sagen, dass Stress per se nicht negativ sein muss. Je nach Zeitpunkt und Stressfaktor kann er uns natürlich stark beeinflussen. Allerdings in alle Richtungen. Denn wenn wir das richtige Maß an Belastung haben, kann uns das sogar zu Höchstleistungen anspornen und enorm motivieren.
Was sagen Sie zu Nahrungsergänzungsmitteln und Superfoods? Können diese Stress reduzieren bzw. bei Burnout weiterhelfen?
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der Körper mit hochwertigen Lebensmitteln und Superfoods durchaus unterstützt werden kann. Grundsätzlich empfehle ich eine sehr zuckerreduzierte Ernährung und Lebensmittel, die möglichst wenig verarbeitet wurden. So hat der Körper die Möglichkeit, viele hochwertige Inhalts- und Mineralstoffe für sich zu nutzen und möglichst viel Energie daraus zu ziehen. Auch den Einsatz von hochwertigen Nahrungsergänzungsmitteln halte ich für sehr sinnvoll. Bei einem festgestellten Mangel können diese helfen, die leeren Speicher wieder aufzufüllen.
Außerdem können sie zur Verringerung von Müdigkeit und Erschöpfung beitragen. Viele Mineralstoffe und Spurenelemente sind regelrechte „Stresskiller“, die wir nutzen können. Auch unsere Nerven brauchen viele gute Nährstoffe. In langanhaltenden stressigen Phasen benötigt unser Körper einfach mehr Unterstützung durch Vitamine, Mineralstoffe und Superfoods. Zudem kann regelmäßige moderate Bewegung an der frischen Luft auch helfen, besser mit Stress und Burnout umzugehen.